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Bob Orr


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Z u c k e r r o h r s a x

Mein fünfzigster Sommer
Körper und Seele immer noch eins
jetzt und hier in der Jervois Road Villa
der Stube mit den hohen Decken
meiner Schreibmaschinenmeditationen
zwei Sittiche im weißen Käfig
leisten mir Gesellschaft.
Von Reisen träumend
aus diesem Vorort des inneren Hafens
wandle ich durch die Zimmer und öffne jedes Fenster
und der Tag wird wie ein Schiff vor Anker
von der Flut sachte hin und her geschaukelt.
In meinem Kopf fliegen tief wie Vögel grüne Inseln
von weißen Korallenlagunen umschlossen
auf der Suche nach Wegen durchs Riff ins Meer.
Alte koloniale Schalbretter knarren
von Geisterschritten im Korridor
vielleicht auch bloß vom Südpazifikwind
der durch die Tür geschritten kommt.
Geister des Ich und Fluten von Fremden
aus seinem Innern des vergangenen halben Jahrhunderts
zeigen sich wieder ind huldigen dem, der einst hier lebte.
Von der Straße klingt samoanisches Lachen
wie die Farbe von Wassermelonenzucker.
Auf der Veranda kräuselt das Postboot auf graugrüner Bahn
von Aotearoa fort bis zu einem Land an Afrikas Spitze.
Sind das Jack Kerouac und South Pacific Mardou
die vorne auf der Treppe Henderson rough red trinken
die dunklen einsamen Köpfe zusammengesteckt
im eigenen Sonnenuntergang der Seele
alle Farben ihrer Welt
mit lauem Westwind verflochten.
Ein halbes Jahrhundert her doch vergessen.

Am Mittag
eine Nikaupalme wirkt mit der Sonne zusammen
grün und goldenes Licht wird heller
in meinem Herzen explodiert des Tages Kern.
Ein Zuckerschiff aus Chelsea
gleitet unmöglich doch tatsäglich unter die Harbour Bridge.
Eine grüne Insel treibt vorbei
an meinem offenen Fenster.
Eine Insel…ein Haus…ein halbes Jahrhundert
die Sonne hoch oben aber auch hohe Decken…Hochgefühl und hohe Flut.
Und ich hebe ein Zuckerrohrsax an meine Lippen
und blase…der Zukunftsbrise entgegen
die groß und warm weht
wie eine Hand über mein Herz
von einer grünen Insel
ihren weiten Zuckerrohrfeldern
solch
         reiner
                  Zärtlichkeit.

 

Translated by Olaf Schenk, in Die Welt über dem Wasserspiegel; Berliner Anthologie,
Betrachtet und eingeleitet von Joachim Sartorius. Berlin: Alexander Verlag, 2001.

 


© Bob Orr


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Last updated 11 May 2001