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Michele Leggott


online works


s c h l a n g e & j u w e l

 

Übersetzungen: Rainer G. Schmidt, 2001.

 

 

erlernen

 

wann werden wir wieder derart leben?

anfangs gab es eine stadt mit ihren monden und wagen

mit zügellosen kometen und solch sprunghafter wonne

daß sogar ein spaziergang durch die galaxie

eiscreme im park war, süßes moment

gleich einem sternengestreu das dazu kam einer menge

in opernerwartung aus dem buch der tränen zu lesen

was als nächstes wenn nicht die hinfälligen, benommenen

imperative um einen quasselstab gewickelt

von angesicht zu angesicht und dreh um dreh zurückgesteckt

um mit den flügeln der vision da oben zu schlagen danach

die lilie mit offenem mund und bebänderter blütenscheide

unebene erogene vorahnung

der makellosen form kommender dinge

 

 

helix

 

was kannst du mir geben das mit hinna beginnt?

eine vision windet sich immer wieder flamme einer fackel

oder genetisches material von der insel des ersten morgens

eine zärtlichkeit die das lyrische nimmt und dessen innerstes

nach außen kehrt weil nichts je dasselbe sein wird

wutanfall im wirklichen haus der tage weil einige

von ihnen aufgepickt und trotz eines wechsels

gelebt werden müssen oh wechselfälle die ihr

das köstliche futter von leib und seele verschlingt

geduldiges harren auf der leiter zwei schritte kurz vor

dem großen wurf jeder hält für den anderen

ein bett bereit wo text sich umtut das zu sein

was sie heute tun wollen helix ist ein reiches gewebe

helix ihre helix ihre helix ihre helix

 

 

lebh

 

und sie ist elixirisch destilliere eine mystische etymologie

in seine arme hingegossen trinkt er sie sie ist

die frucht des baumes die flußrinne die er durchschwamm

um dorthin zu gelangen wo er kostbarer körper wurde

ausgebreitet längs seiner geißblattpfade tiefe blüte

tiefe blüte sein die namen seiner glieder sein

nicht wie sondern hier sie berührt ihn in erinnerung

der worte der wunden des doppelten atems

die erregung nicht hier sondern jetzt sein herz geht auf

kostbare frucht des körpers den baum schütteln

auflösbare trommel auf pfaden wo auch sie hüpft

Schekinah helles herz kehrt die vernichtung um

juwelentochter liedtochter lichte tochter

gelächter sein stacheln sein gesprochen sein laut sein

 

Anm.des Übers.: lebh, auch leibh (irisch): mit dir, an deiner Seite, in deinem Besitz.
                          Schekinah (hebräisch): Schein über der Bundeslade der Israeliten, der die
                          Anwesenheit Gottes anzeigt.

 

 

hyle

 

die töchter des lichts, was sind denn ihre qualitäten?

ich kehre heim von der arbeit und essen ist zu richten

ich komme zu bett und hinab schwingt sich‘s leises

gute nacht guten morgen aufwachen mit dir und die geschichte

meines leuchtenden wesens liegt auf dem boden

mit dem rest der kleider die ich auszog, verborgene stadien

der mama die ich bin und auf der du zu liegen

wünscht bevor die alten und heiligen männer fragen

wie es kommt daß die immer-königin zuckerkörner verteilt

an die gerechten und sie anhält sich die zähne zu putzen

und sonnenschutzcreme aufzutragen bevor sie

zur schule gehen dem sehe ins auge süßer dichter

wir können nicht dem schlaf oder der liebe verfallen bis du mich

durch den saphirlosen silberlosen spiegel des ortes siehst der ich bin

 

Anm.des Übers.: hyle (griech.): Gehölz, Wald; in der Philosophie des Aristoteles: formbarer Urstoff.

 

 

alles

 

vor dem fenster auf feuchten flügeln starker

lilienduft melismas kleiner kuß auf der dunklen seite dessen

was auch immer ich war im barfüßigen gebet fliegend über

überfliegend überflogen überfließende kohärenz

eine bei der anderen geschichte und wirklich vollkommenes

verlangen in einem tempel von einzelheiten ample roman fleuve

ein flußroman ganz angeschwollen und just im begriff zu enden

abstände als immanent betrachtet aber nie hörbar

sieh wir schlagen eine ausgesuchte seite auf die sterne sind da

die wörter sind schieres wunder ysop hiatus

wir atmen calypso phiolen und ohne müh’ sind

werke und tage zu unterscheiden wir sprechen

so laßt denn die bänder flattern an den stätten

wo liebe gemacht wurde und dunkelheit sie nah hielt

.

  

©Michele Leggott


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Last updated 22 April, 2002